„Second Skin“ – Science and Fiction united
Liebe Leserinnen und Leser, stellt Euch bitte das Folgende vor:
- Eines Tages wird eine Art „second skin“ entwickelt.
- Diese werden wir morgens in Form eines Gels am Gesicht verteilen.
- Die gelige Substanz wird eine sehr dünne und völlig unsichtbare Schicht bilden, die uns den ganzen Tag vor schädlichen Mikroorganismen, Toxinen, negativen Auswirkungen von Temperaturänderungen, Kälte, Wind, etc. schützen wird.
- Darüber hinaus wird diese Schicht den Wasserverlust auf dem Niveau einer Petrolatum Creme verhindern.
- Und der Hammer: sie wird einen langhaltenden und wasserresistenten UV-Schutz anbieten!
- Außerdem wird das Gel einen medizinischen Zweck erfüllen und zur Verbesserung von Hauterkrankungen wie diverse Dermatitisarten beitragen. Diese zeichnen sich ja durch eine gestörte Hautbarriere aus. Und unsere elastische, unsichtbare Schicht wird eben 1:1 eine gesunde Hautbarriere imitieren.
- Unter solchen okklusiven Wirkungen werden auch medizinische Aktivstoffe gezielter in die Haut transportiert (eine abends aufgetragene Kortisolsalbe bleibt ja zu einem hohen Anteil auf der Bettwäsche).
- Und last but not least: Neben einem Hautschutz und einem optimierten Transport von Aktivstoffen wird die unauffällige „second skin“ einen ästhetischen Zweck erfüllen: die Haut wird straffer, glatter und insgesamt jugendlicher aussehen. Falten werden entscheidend gemildert und Tränensäcken verschwinden.
Na? Könnt Ihr Euch das vorstellen? Nein? Doch das existiert bereits!
XPL-Technologie
Die Idee, einen physikalischen Schutz für die Haut zu entwickeln, der vor Verletzungen, Temperaturänderungen, Wasserverlust, UV-Strahlen, Bakterien, etc. schützen würde, entstand bereits vor 10 Jahren. Inzwischen haben Forscher ca. 100 mögliche Polymere identifiziert, die alle die chemische Struktur von einem Siloxan aufweisen – also eine Kette von Silicium- und Sauerstoffatomen (in abwechselnder Reihenfolge). Solche Polymere können eine Netzwerkstruktur von sogenannten cross-linked Polymer Lagers bilden (XPL-Technologie), die sich u.a. durch eine besondere Elastizität auszeichnen. Letztendlich wurde ein Polymer ausgewählt, das mit unserer Haut in Bezug auf deren mechanische und elastische Fähigkeiten fast identisch ist. Es ist in der Lage, nach einer Dehnung von 250% in die Ausgangsposition zurückzukehren. (Derzeit werden zwei andere silikonhaltige quasi-Wundplaster verwendet, die allerdings nur bis 180% dehnbar und auf der Haut durchaus sichtbar sind.)
Im Mai 2016 haben Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Harvard diese fantastische Entdeckung im Magazin „Nature Materials“ beschrieben (hier). Der Titel lautete: „An elastic second skin“.
Wie funktioniert die „second skin“?
Die „second skin“ wird in zwei Schritten aufgetragen: Zunächst werden Komponente von Polysiloxan auf der Haut verteilt. Im zweiten Schritt kommt ein Katalysator zum Einsatz (platinum catalist). Dieser trägt zu einer besseren Vernetzung des Polymers mit der Haut und dessen Einhartung bei. Beide Schichten werden in Form eines Gels bzw. einer Creme aufgetragen und verteilt. Danach soll die Polymerschicht absolut unsichtbar werden. Der so gebildete, äußerst dünne Film kann bis zu 24 Stunden auf der Haut verbleiben.
Die XPL-Technologie wurde in einer Pilotstudie an 170 Probanden getestet. Weder Irritationen noch allergische Reaktionen konnten festgestellt werden. Die Inhaltsstoffe wurden bereits zuvor durch die US Food and Drug Administration als sicher klassifiziert.
Spanx fürs Gesicht – die Aussichten
Das Produkt wurde in den USA noch nicht für den Markt zugelassen. Laut Washington Post soll das Polymer dann aber recht teuer werden: Eine kleine Menge für eine monatliche Behandlung von Tränensäcken würde um $500 kosten. Für das ganze Gesicht bzw. bei seriösen Hautkrankheiten am ganzen Körper könnten die Kosten somit exorbitant hoch werden. Wann das Spanx fürs Gesicht nach Europa kommt, wird noch nicht verraten. Ob die Behandlungskosten bei Hautkrankheiten in Deutschland dann teilweise von Krankenkassen übernommen werden würden, wird sich zeigen. Das kann aber noch ein Weilchen dauern, was vielleicht nicht schlecht ist. Schließlich müssen wir zunächst einmal das Konzept mental verarbeiten, bevor wir uns daran gewöhnen können, jeden Morgen anstand Serum und Sonnenschutz eine „second skin“ aufzutragen. 🙂
Was denkt Ihr?
Jetzt bin ich gespannt, was Eure Gedanken dazu sind? Wo seht Ihr den größten Vorteil dieser Erfindung – in dem Verhindern vom Wasserverlust, in der Sonnenschutz-Fähigkeit, im Beitrag zur Linderung von Hautbeschwerden oder hauptsächlich in dem großen Einsatzspektrum zu kosmetischen Zwecken?
Wäre es aber nicht irgendwie merkwürdig, spukig oder gar psychisch ungesund, tagsüber mit einer jung aussehenden Haut rumzulaufen, um dann abends nach der Abnahme des Gels mit einem gefalteten Gesicht und Hauterschlaffung konfrontiert sein zu müssen?
Auf Eure Überlegungen zu der „second skin“ bin ich sehr gespannt!
Alle Beiträge zum Thema Sonnenschutz, die auf dem Blog erschienen sind, findet Ihr hier Alles über Sonnenschutz: Grundlagen und Reviews
Eure Pia
PS: Ein kurzes Interview mit einem der Autoren der Veröffentlichung, Prof. Robert Langer, könnt Ihr auf „Scientific American“ finden. Hier und unter den oben genannten Links gibt es auch ein Video, das die Funktionsweise der XPL-Technologie erläutert.
Foto – pixabay.com
Uff, ich bin gerade ein Spielverderber:
Was passiert mit der Second Skin, wenn sie wieder entfernt wird? Sondermüll fürs Meer?
Ich finde es wirklich bedenkenswert, dass kein Fitzelchen der Forschung sich um die Folgen ihres Produktes zu kümmern scheint – mag mich täuschen, aber wir haben als Lebewesen auf diesem Planeten sowieso schon ein Problem mit der Entsorgung unserer mannigfachen und überproduzierten Konsumgüter.
Aber Hauptsache ich sehe mit 80ig aus, als wäre ich 20ig und lande mit Porzellanhaut in der Kiste.
Okay, für mich ist es ein Schreckensszenario…. wie so Vieles an nicht hinterfragten Technologien.
Den größten Vorteil sehe ich eindeutig darin, mal einen Tag lang mit perfekter Haut rumzulaufen. Deine Vorschläge sind natürlich auch toll, aber ich mein das durchaus ernst. Naja, jetzt muss ich schon ein bisschen schmunzeln, ich befinde mich ja grad mitten im PMS sowie generell einer Frustrationsphase wegen der Akne. Ich muss mich schnell von deinem Artikel losreißen, sonst steh ich morgen vor der Tür der Autoren und zwinge sie, mir das zu geben 😉
Okay, ich schreibe schnell, um Dich zu beruhigen: Bei Akne bzw. bei sichtbaren Pickeln, würde die Second Skin wahrscheinlich auch nicht 100% funktionieren, da es sich um Strukturmerkmale handelt, die schwer abzudecken sind. Obwohl mit eyebags funktioniert es anscheinend. Aber wir wollen ja nicht, dass Du noch frustrierter wirst. Also: Der Frühling klopft schon ganz deutlich an die Tür. Ist das nicht toll? Hilft das nicht eher? ;-))
Verdammt 😀 Na, bis das mal bei uns ankommt bräuchte ich das hoffentlich ja doch nicht mehr. Da sind doch einige Frühlinge noch eher da und ich freue mich jedes Jahr, wenns endlich wärmer und bunter draußen wird 🙂