Parabene und Nanopartikel in Babypflege
In unserem ersten Beitrag zur Hautpflege für Babys und Kleinkindern haben wir u.a. über Eigenschaften einer Babyhaut gesprochen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Hautbarriere (stratum corneum), die für die Hautbefeuchtung und einen gesunden Zustand der Haut sorgt, in Babyhaut noch nicht vollständig entwickelt ist. Diese Entwicklung kann man mit gut ausgewählten Pflegepräparaten fördern oder sie mit harschen, irritierenden Inhaltsstoffen verlangsamen.
Ferner haben wir auf bekannte Allergene und Irritanten verwiesen (die Begründung findet Ihr hier):
- Alkohol denat.
- Propylenglycol
- Sodium Lauryl Sulfate
- Sodium Laureth Sulfate
- Ammonium Laureth Sulfate
- Cocamidopropyl Betaine
- Methylisothiazolinone
- Bestandteile von ätherischen Ölen
- Quaternium-15
- Diazolidinyl urea
- Imidazolidinyl urea
- DMDM hydantoin
- Bronopol
- Tris(hydroxymethyl)nitromethane
- Ätherische Öle bzw. deren Bestandteile
- Parfüm
- Farbstoffe
- Lanolin
- Oxybenzone (INCI: Benzophenone-3)
- Octinoxyte (INCI: octyl methoxycinnamate bzw. ethylhexyl methoxycinnamate)
- Octocrylene
- Olivenöl
Heute möchten wir auf die Frage eingehen, ob Parabene und Nanopartikel in Babypflege und Kleinkinderprodukten schädlich sind? Da ich bezüglich Kinderpflege eben insbesondere Fragen zu Nanoteilchen und Parabenen bekomme, möchte ich im Folgenden etwas ausführlicher darauf zu sprechen kommen.
Parabene in Babypflege
In 2011 wurden in Dänemark Butylparaben und Propylparaben (plus deren Iso- und Salzformen) in Produkten verbannt, die für Kinder unter 3 Jahren bestimmt sind. Beide Parabenarten haben die höchste Penetrationsstärke (Butylparaben ist am meisten lipophilic = dringt also am einfachsten in die Haut). Und beide sollten hinsichtlich deren potenziellen Einfluss auf das endokrine System weiterhin genauer beobachtet werden (klick S. 22).
In allen anderen Ländern der Europäischen Union sind Butyl- und Propylparaben nicht in allen Produkten für Kinder unter 3 Jahren verboten. Vielmehr müssen Hersteller nur in denjenigen Präparaten darauf verzichten, die im Windelbereich Anwendung finden. Dies kann man dadurch begründen, dass 1) die zusätzliche Okklusion (Windel, Wundschutzcreme) und 2) die häufig irritierte Haut in diesem Bereich (sprich: geschwächte Hautbarriere; Urin ist basisch (klick)) -> zu einer verstärkten Penetration von diesen Parabenen führen können.
Außerdem wurde die Maximalkonzentration von Butyl- und Propylparaben von 0.4% (wenn einzeln benutzt, und 0,8%, wenn in Kombination mit anderen Parabenen verwendet) auf 0,19% (einzeln oder kombiniert) reduziert. Dies betrifft alle kosmetischen Produkte, nicht nur diejenigen, die für Babys bzw. Kleinkinder bestimmt sind.
Methyl- und Ethylparaben wurden hingegen als unbedenklich eingestuft und deren Konzentration wurde nicht verändert. Es bleibt also bei 0,4% beim Einsatz von Einzelparaben und 0,8%, wenn es sich um eine Parabenen-Kombination handelt (Quelle).
Parabene – mein Fazit
Diese Neuregelung der Europäischen Union gilt seit Juli 2015 (Quelle). Lebt Ihr nicht in einem EU-Land bzw. benutzt Ihr Produkte, die keine ausdrückliche Zulassung zum Vertrieb auf dem EU-Territorium haben, gilt es zu prüfen, ob Propylparaben und/oder Butylparaben auf der INCI-Liste stehen. Falls ja, und wenn das Produkten für den Windelbereich bestimmt sind, müsst Ihr selbst bestimmen, ob Ihr dies akzeptieren wollt oder nicht. Sonst sollte der Name “Paraben” kein Grund zum Schreck bzw. Ablehnung sein.
TiO2 & ZnO Nanopartikel in Babypflege
Mit Vorsicht bzw. Ablehnung wird in kosmetischen bzw. pharmazeutischen Produkten neben Parabenen insbesondere Nanopartikeln (1-100nm) begegnet. Dafür lassen sich verschiedene Gründe anführen, auch solche, die mit faktischer Lage nichts zu tun haben. Fakt ist aber, dass der Forschungsstand derzeit sehr zu Wünschen übrig lässt. Warum? Weil Studien zu Nanopartikeln in Pflegeprodukten kaum miteinander vergleichbar sind! Das erschwert wiederum generalisierbare Aussagen über die Sicherheit der Verwendung von Nanoteilchen in Cremes. (Ein gutes Beispiel für den Mangel an Standardisierung ist etwa der Einsatz von Unterschiedlichen Messgrößen: mg/l vs. mg/cm2, etc.). Dieser Zustand wurde im Januar 2017 in einem Papier der OECD-Forschungsgruppe: Working Party on Manufactured Nanomaterials bemängelt (hier; in 2012 hat darauf auch die EU hingewiesen, hier).
Ebenfalls im Januar 2017 hat das australische Gesundheitsministerium (konkret: Therapeutic Goods Administration, TGA) eine sehr gute Übersicht über den Stand der bisherigen Forschung zu Nanopartikeln in Sonnenschutzpräparaten veröffentlicht (hier). Dieses wertvolle Papier weist darauf hin, dass nicht ummantelte Nanopartikel bewiesenermaßen freie Radikale (ROS) in der Haut erzeugen können.
Eine gute Ummantelung (sprich: Beschichtung) kann hingegen die Entwicklung von freien Radikalen verhindern. (Wichtig für die Stabilisierung der Teilchen ist außerdem auch die chemische Umgebung, in welcher die Suspension der Nanopartikel stattfindet.)
Beschichtung
Allerdings wurde zugleich gezeigt, dass eine Ummantelung mit Aluminum hydroxide im Chlorwasser (Schwimmbad) zerstört werden kann (hier). Ob sich dies durch den Einsatz von anderen, stabilisierenden Inhaltsstoffen verhindern lässt, kann ich derzeit nicht beantwortet. Eine Ummantelung mit Silica sollte hingegen der Bildung von ROS entgegenwirken. Nach der Sichtung von diversen in vivo und in vitro Studien, kam das australische Papier jedenfalls zur Konklusion, dass Nanopartikel in Cremes in die lebende Haut (d.h. über das stratum corneum hinaus) nicht penetrieren können. Sogar im Falle von extrem kleinen Nanopartikeln (4nm), die in Cremes meines Wissens derzeit nicht eingesetzt werden, konnten die Teilchen lediglich in die stratum basale (Epidermis) gelangen. Dies hatte keinen Einfluss auf systemische Prozesse innerhalb des Organismus.
Penetration bei geschwächter Hautbarriere
Die essenzielle Frage in Bezug auf die Penetration von Nanopartikeln lautet, inwiefern diese in eine noch nicht vollständig entwickelte Hautbarriere (Baby- bzw. Kleinkinderhaut) eindringen können? Gibt es einen Unterschied zwischen der Penetrationstiefe in einer gesunden Haut im Vergleich zur Haut, wo das stratum corneum beschädigt (löchrig) ist bzw. noch nicht vollständig entwickelt ist?
Es scheint, dass die Penetration von Nanopartikeln sowohl in eine gesunde als auch eine beschädigte (dünnere, unreife) Haut gleich stark bzw. schwach ausfällt.
Die überwiegende Mehrheit der Forschungsergebnisse bestätigt nämlich, dass weder Titandioxid noch Zinkoxid in Nanoform in die lebendige Haut eindringen können. Vielmehr verbleiben die Nanoteilchen überwiegend auf der Hautoberfläche, d.h. innerhalb der Schicht der toten Hornzellen (stratum corneum). “…the current weight of evidence suggests that TiO2 and ZnO NPs do not reach viable skin cells (even in compromised skin) or the general circulation, but rather remain on the skin surface and in the outer layer of the stratum corneum, a surface layer of non-viable, keratinized cells.” (Quelle)
Keine Sprays!
Durchaus bedenklich ist hingegen die Verwendung von Titandioxid und Zinkoxid – sowohl in Nano- als auch in nicht Nanoform – in Sprühform (Risiko der Aufnahme durch Inhalation). Dazu hat die EU in 2015 Stellung genommen und die Anwendung von beiden Inhaltsstoffen in Spray-Flaschen als unsicher eingestuft. Dabei versuchte das EU-Papier, die Termini: “sprühbar” und “Pumpflasche” genauer zu definieren. Sollte demnach aus einer Pumpflasche ein Schaum oder eine dichtere als Wasser Flüssigkeit rauskommen, die keine extensive Menge an luftgetragenen Tröpfchen generiert, sind Pumpflaschen grundsätzlich okay.
Auf eine Kinderhaut würde ich dennoch beide Inhaltsstoffe sowohl in Sprays als auch in Pumpflaschen (egal, ob nano oder nicht) vermeiden wollen. (Eine deutsche Zusammenfassung der darauf folgenden EU-Verordnung vom April 2016 findet Ihr hier.)
Tinosorb M Nano – unbedenklich
Wie Ihr bei der Produktübersicht zu Babyhautprodukten (im nächsten Post) sehen werdet, gibt es derzeit auf dem Markt viele gute Sonnenschutzpräparate mit Tinosorb M (INCI: methylene bis-benzotriazolyl tetramethylbutylphenol), das ebenfalls in Nanoform vorkommt. Dabei darf man eine ähnlich ausfallende Penetrationsstärke wie bei ZnO und TiO2 Nanopartikeln annehmen, da Tinosorb M mit denselben Inhaltsstoffen ummantelt ist. Außerdem wurden in Bezug auf Tinosorb M bislang seitens der Forschung keine beunruhigenden Feststellungen getätigt (Bildung von freien Radikalen, etc.). Eine Studie, die ich in diesem Zusammenhang fand, zeigt auch keine erwähnenswerte Penentrationsstärke durch Tinosorb M (hier).
In einer Zusammenfassung der bisherigen Einschätzungen des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU zu Tinosorb M Nano könnt Ihr daher lesen, dass es “die Hautbarriere praktisch nicht |durchdringt| und damit kein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher darstellt” – dies sowohl bezüglich einer intakten als auch einer sonnenbeschädigten Haut. Auch Sprays mit Tinosorb M Nano wurden als unbedenklich eingestuft (etwa hier). Pumpsprays hingegen sollten nicht in Gesichtsnähe angewendet werden (Quelle).
Die Nanogrößen
Die Größe von Tinosorb M Nanopartikel liegt bei ca. 100nm – d.h. an der obersten Grenze des Nano-Bereiches. Im Vergleich dazu wird die Nanogröße von Titandioxid, je nach Hersteller, zwischen 14nm und 20nm, geschätzt (Quelle Nr. 1), wenngleich auch größere Nanopartikel von Titandioxid denkbar sind (Quelle, unter: 1.3.10). Laut Empfehlung der EU sollten in kosmetischen Produkten Nanopartikel von Zinkoxid größer als 30nm eingesetzt werden (Quelle), die Durchschnittsgröße scheint derzeit bei 60nm zu liegen (Quelle Nr. 1).
(Ausflug: Was Euch nächste Woche vielleicht überraschen wird, ist die Beigabe von Decylglucosid (INCI: decyl glucoside) (mildes Tensid) in Formulierungen mit Tinosorb M. Dies ist notwendig, weil Decylglucosid als Lösungsmittel / Dispersant von Tinosorb M fungiert, klick.)
Nanopartikel in Babyprodukten – mein Fazit
Ihr seht, dass mich das Thema Nanopartikel derzeit ziemlich stark beschäftigt. Das ist mir allerdings erst bei den Recherchen zu Babyprodukten aufgefallen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Aufgabe, Euch sichere Produkte für Eure Kinder zu benennen, mit viel Eigenverantwortung verbunden ist.
Nach all dem oben Gesagten bezüglich Nanopartikel in Sonnenschutzpräparaten lautet mein Fazit wie folgt:
- Aufgrund dessen, dass die Forschung zu Nanopartikeln in topisch applizierten Produkten derzeit auf Hochtouren läuft, sollten neue – standardisierte – Ergebnisse bald zu erwarten sein. Diese müssen wir im Auge behalten.
- Die überwältigende Mehrheit von Studien zeigt bislang keinen nennenswerten systemischen Einfluss von Nanopartikeln auf Körperprozesse.
- Persönlich würde ich derzeit Sonnenschutz mit Nanoteilchen für Kleinkinder unter drei Jahre nicht empfehlen. Sonst finde ich Sonnencremes mit Nanopartikeln beim Einsatz auf gesunde Haut unbedenklich.
- Sprühflaschen (und wahrscheinlich auch Pumpflaschen), die Inhaltsstoffe in Nanoform erhalten, sollten lieber auch nicht ab dem 3. Lebensjahr angewendet werden. Dies betrifft insbesondere Zinkoxid und Titandioxid.
- Tinosorb M in Nanoform wurde bislang mit keinen bedenklichen Forschungsergebnissen begleitet. Falls Ihr mit Euren Kids in den Urlaub fährt, wo sich die Sonne nicht vermeiden lässt, würde ich derzeit Produkte mit Tinosorb M denen mit Titandioxid und Zinkoxid vorziehen.
- Und zum guten Schluß: Lassen wir uns nicht verrückt machen! Ein tägliches (eventuell mehrfaches) Eincremen von Babys und Kleinkindern mit einem Sonnenschutzpräparat ist in aller Regel nur während eines Urlaubs nötig. Aber auch dort findet man meist genug Schatten. Nanopartikel, Octocrylene und etwas Alkohol denat. sind besser als Sonnenbrand! Es ist zwar immer gut, “Bescheid zu wissen”, damit Entscheidungen bewusst gemacht werden können. Doch “das Optimum” ist nicht immer möglich. Letztendlich müssen Vorteile gegen Nachteile abgewogen werden. Und “eine” Sonnencreme ist stets besser als keine.
Eure Pia