Die Liebe meines Lebens (2)

roo1

Teil I

Teil II:

Die drei ersten Monate waren schwer. Uns, Pooh und mir, ging es gar nicht gut. Schlafmangel bringt das Schlimmste in den Menschen heraus und entsprechend verhielten wir uns (zu einander). Da ein kleines Baby am Anfang nur gefuttert, gewechselt, gewaschen und geliebt werden muss, ansonsten sich wie ein kleines Tier verhält, wurde das Leben extrem eintönig.

Es gab Tagen, wo ich keine Zeit hatte, zu duschen. Es gab Tage, wo ich nicht vom Bett aufstehen wollte. Es gab Tage, wo ich das Weinen von Roo und das Traurigkeitsgefühl nicht mehr aushalten konnte, aus dem Hause ging, ziellos das Fahrrad fuhr und dachte, gleich den Verstand zu verlieren. An anderen Tagen steckte ich wieder furios den Ipod in die Ohren; schieb den Lautsterckerriegel unerträglich hoch und lief mit dem Kinderwagen stundenlang rum. Im Regen, im Schnee. Hauptsache – raus aus dem Haus, wo man weder das Baby-Weinen noch die eigenen Gedanken hört.Daddy Joy crying

Aus dem Spiegel schaute ein dünnes, graues, müdes Gesicht. Mein Gesicht. Es kam eine Einladung zu einem Vortrag – ich dachte, jemand hat sich in der E-Mail-Adresse geirrt. Wie kann ich mich unter diesen Umständen vorbereiten? Und der Gedanke kam: werde ich das irgendwann wieder können/wollen?

Ich habe eine Zeitspanne auf dem Papier gemalt und auf dem Spiegel im Badezimmer gefestigt. Dort habe ich drei Monate markiert und diese mit unserer potenziellen Lebenserwartung gegenüber gestellt. Dies hätte uns verdeutlichen sollen, dass drei Monate eigentlich gar keine lange Zeitspanne darstellen, dass die Koliken bald vorbei sind und alles wieder gut sein wird. Es hat nicht geholfen. Nichts hat geholfen.


Doch mit der Zeit wurde das Licht am Ende des Tunnels immer heller.

Nach vier Monaten waren die Koliken vorbei. Die emotionale Bindung zwischen Roo und uns war endlich mal da! Sie hat uns verstanden. Wir haben sie verstanden. Wir lernten von einander. Ich stellte fest, dass ich jede Stunde vermisse, in der ich sie nicht sehen kann. Ich begann zu lachen – mehr und mehr. Und es kam die Zeit, wo wir beide – Roo und ich – über dasselbe gelacht hatten. Ich war begeistert. Ein Mini-Wesen, das ich mit jedem Tag neu lernen musste. Faszinierend. Das Analytische in mir wachte wieder auf, wenngleich in einer anderen Form: Eine sanfte liebevolle Analyse meiner Mini-Tochter, des Glücks meines Lebens, der Liebe meines Lebens. Jeder Tag brachte etwas Neues, Aufregendes. Ich verbrachte meine Zeit, um mit ihr zu spielen, in ihre blaue Augen zu schauen, ihre rote Haare zu streichen, ihr neue Sachen zu zeigen, gemeinsam zu lachen, zu singen, zu tanzen. Wir begannen uns zu verstehen und zu lieben – über alles. Es wurde spannend.Roo1Roo four


Little Roo wird nächste Woche ein Jahr alt. Sie krabbelt fröhlich vor sich hin, versteht die Bedeutung von einzelnen Wörtern, zieht sich überall hoch und macht viele Sachen kaputt. Ihre Mama und Papa sind überglücklich. Oftmals schauen wir auf das kleine Wesen und denken, wie unfassbar stark wir sie lieben. Das Glück unseren Lebens, die Liebe unseren Lebens.

Ich wollte immer alles im Leben ausprobieren. Habe in der Tat einiges erlebt. Hätte ich kein Kind, wäre eine der wichtigsten Lebenserfahrung an mir vorbei gegangen, die ein Mensch nur machen kann: Liebe zu dem eigenen Kind (ob leiblich oder adoptiv, spielt keine Rolle). Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben. Und es lohnt sich, es zu erleben. Pure Bereicherung.

Noch steht bei uns, in dem Hundred Acre Wood, alles auf dem Kopf. Noch ist das Neue nicht so etabliert, damit wir uns nicht jeden Tag wundern müssen, was da eigentlich passiert ist. Nein, wir gehen nicht mehr zu Konzerten und schlafen nicht mehr Samstags bis 10.00Uhr, nachdem wir Freitags bis in die Nacht einen tollen Film gesehen haben. Und die Nächte sind immer noch kurz, weil Roo nachts nach ihrem Schnuller sucht und um 5.30Uhr wach wird, um ihre Mama mit einem breiten Lächeln und süßem Babbeln zu begrüßen.Happy ROo


Blicke ich zurück? Ja, sehr oft. Ich wundere mich dann, wie sich alles so schlagartig verändert hat. Würde ich die Zeit zurückdrehen und Roo nie bekommen wollen? Niemals! Vor einer Wochen waren wir nach einem Jahr wieder mal im Kino. Während der Rückreise sagte Pooh, er macht sich Gedanken, was unsere kleine Roo gerade so macht… bis Ende der Busreise haben wir uns auf dem Handy ihre Fotos angeschaut. 🙂 Ein Tag ohne Roo ist ein verlorener Tag. Ihr Lächeln, geschmückt mit fünf Zähnchen, begleitet mich überall. Auffallend rote Haare, große blaue Augen, dunkle lange Wimpern, kleine Fingerchen, weiche Füsschen… Sie ist ein Wunder.Roo sleeping2

Und was macht die Wissenschaft? Sie ist spannend, ohne Frage. Aufregend? Im Moment nicht wirklich. Ich lebe nicht mehr in meinem Kopf. Ich trage mein Herz auf der Hand. Ich schaue in jeden Kinderwagen und finde Babies die faszinierendsten Wesen überhaupt.


Ein Prioritätenwechsel hat stattgefunden. Habe ich eben nicht das befürchtet? Dass ich zu Mami werde und wie alle anderen, Millionen von Mamis, nichts außer meinem Kind sehen und darüber sprechen werde? Und dass ich mich an erster Stelle stolzerweise als Mami definieren werde, da nicht Bücher oder wissenschaftliche Aufsätze, sondern Roo die wichtigste „Leistung“ meines Lebens ist? Wie langweilig und doof.Joy_mamiRoo Lesen

Outdoor

Aber doch, liebe/r Leser/in. Ich definiere mich jetzt in erster Linie als Mami. Roo ist meine wichtigste Lebensleistung. Und dennoch bin ich Jemand = eine Mutter. Dabei empfinde ich es weder als langweilig noch als doof, sondern als spannend, aufregend und absolut faszinierend. Denn mit jedem Tag kommt etwas Neues. Man etwickelt sich mit dem Kind selbst weiter. Man wird zu einem anderen Menschen. Einem besseren, klügeren, mehr toleranten Menschen, mit einem erweiterten Bewusstsein. Ist das nicht toll?

Ram Dass – der ehemalige Professor aus Harvard, der jetzt in dem Hier und Jetzt lebt – unterscheidet zwischen denen, die wissen im Sinne von Informationsbesitz und denen, die wissen/verstehen im Sinne von Klugheit. Ich freue mich sehr, dass mich die Panik und Dilemmata nicht zu einer anderen Entscheidung geführt haben.

Will ich damit sagen, dass das Elternsein das Wichtigste oder das Schönste im Leben ist? Nein. Es ist das Wichtigste und Schönste in meinem Leben, dem Leben eines Konvertiten, die das Muttersein als eine durchschnittliche, langweilige Beschäftigung sah, zu jemanden, die dies als die meist außergewöhnliche Erfahrung betrachtet. Aber ein bisschen länger schlafen würde ich schon gerne…. 🙂

Thank you, Pooh!

Eure Pia (geschrieben für „die Schublade“ im August 2014)

lank

So, und jetzt schießt los mit Euren Gedanken. Aus der Tiefe des Herzen. Danke im Voraus! <3

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nikkitairotas

Liebe Pia!
Deine beiden Artikel sind sehr ehrlich und offen und ich bewundere dies doch einigermassen. Es ist ja eine Geschichte mit Happy End, wie schön für dich, für euch drei 🙂
Das lustige ist aber, dass du anscheinend ja doch nicht „nur Mami“ bist und damit ausgelastet, denn hier wächst dafür dein Blog und zwar mit grossem Aufwand und Einsatz und hohem Niveau. Wir wissen nun alle woher das kommt! 🙂
Du wirst vermutlich auch wieder andere Schwerpunkte in der Zukunft finden und suchen, da bin ich mir ziemlich sicher. Als Skincare-Bloggerin bleibst du uns hoffentlich noch ein Weilchen erhalten…
Erfreue dich an deinem Glück und bleib gesund. Das du nach Berlin ziehst macht mich ein wenig eifersüchtig, denn ich musste von dort weg und vermisse diesen Moloch doch schmerzlich.
Liebe Grüsse!

nikkitairotas

Ach Berlin ist ein schlechtes Ende, weil eher aus Not: nach jahrelangen Rechtsstreit (meine Wohnung wurde verkauft, dann auf „Eigenbedarf“ gekündigt),kam nach drei Jahren eine Art Burnout. Kompliziert. Flucht nach HH. Mal sehen, wie es gehen wird. Berlin ist ein Moloch, aber wunderbar und einmalig, entweder das sagt einem zu oder nicht.
Ja, Instagram macht es nun möglich einfach zwischen Accounts zu wechseln. Da hab ich aufgeräumt, bzw. gesplittet. Ein zweiter Account auf dem ich meinen Mode und Beauty-Hautpflege Hobby folgen kann. Der andere bleibt bestehen, aber eben rein Fotografie Schwerpunkt.
Allerdings komme ich mir nun etwas blöd vor dort so garnicht selbst zu posten und evtl. einen kleinen Beitrag zu leisten, den ich „konsumiere“ quasi nur und bereichere mich 😉
Da muss ich mal überlegen…
Versöhnlich in Hamburg ist der Hafen und das Wasser. Wirklich inspirierend und so eine Mischung aus Fernweh und Ruhe. Nur das Wetter: eine schrecklich nasse Angelegenheit!
<3

Fanny-Maria

Liebe Pia,

danke, dass du das mit uns geteilt hast!!! :)) Alles Liebe! <3

Anonym

Liebe Pia,
super schwieriges Thema und super toll geschrieben. Ich möchte nicht zu sehr ins persönliche gehen, aber ich finde es sehr ermutigend, dass es auch solche Geschichten gibt. Es ist okay, wenn man sich gegen Kinder entscheidet, es ist auch okay, wenn man Angst hat und es ist okay, wenn man seinen Weg ändert! Ich wollte auch lange Zeit keine Kinder, noch bin ich mir nicht 100% sicher, noch habe ich auch etwas Zeit…aber die eigentliche Last ist die Gesellschaft, die nicht verstehen will, warum eine Frau keine Kinder möchte oder Bedenken hat. Ein absolutes Tabuthema. Irgendwie ist es das natürlichste der Welt, dass alles Frauen Kinder lieben und haben möchten. Und wenn nicht, dann kann die Frau entweder keine Kinder bekommen, ist karrieregeil und kaltherzig oder findet keinen Partner. Ganz normale Paare, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden scheint es in der Gesellschaft nicht zu geben.

Anne

Liebe Pia,
was für ein wunderwunderschönes Kind und was für ein wunderwunderbarer ehrlicher Post! Ich danke dir von ganzem Herzen hierfür. Eure Geschichte hat mich sehr berührt. Bitte bitte gib den ursprünglichen Plan, ein Buch zu schreiben, nicht auf. Ich kenne nicht keinen einzigen guten und vor allem ehrlichen Erfahrungsbericht einer Mutter in Buch- Form- und wie sehr hätte ich einen solchen im letzten Jahr gebrauchen können. Ich bin nämlich ebenfalls Mama einer einjährigen Tochter. Auch ich habe mich (obwohl ich schon immer Kinder wollte) in meine neue Rolle als Mutter erst einfinden müssen. Mir fehlte meine Arbeit -ich bin Richterin- und der Kontakt zu den Kollegen doch sehr und ich war ständig in zufrieden mit mir als Frau, als Mama und als Ehefrau. In den Krabbel- Baby- Mamagruppen verstärkte sich das Gefühl eigener Unzulänglichkeit noch- heute denke ich, es wird in solchen Gruppen mehr gelogen als im Wahlkampf. Jetzt klappt es immer besser und wir sind in vielen Bereichen ein eingespieltes Team, in anderem müssen wir noch weiter’kämpfen‘, aber das wird sicher so bleiben.

Ich bin erst vor kurzem auf deinen Blog gestoßen und überglücklich mit meinem Fund. Endlich habe ich jemanden gefunden, der gut fundiert über Kosmetik und Hautpflege schreibt. Ich befasse mich noch nicht lange wirklich mit Hautpflege. In der Vergangenheit habe ich mir vielmehr alles, was ich bekam und neu kaufte, fröhlich auf die Haut getan, bis sich meine Haut rächte und ich Periorale Dermatitis bekam. Nachdem diese seit einigen Monaten abgeklungen ist, fing ich an, mich mit dem Thema Hautpflege näher auseinanderzusetzen. Auf der Suche nach Infos landete ich oftmals bei Fast- Teenager- You- Tube- Stars, die Anti-Aging- Empfehlungen geben und sich wohl hierfür auch noch allzu gern bezahlen lassen. Mit meinen fast 37 Jahren finde ich mich da nicht wieder. Hier auf deiner Seite scheine ich jetzt angekommen zu sein. Ich arbeite mich gerade glücklich durch sämtliche Posts. Jetzt bescherst du mir schlaflose Nächte, nicht mehr meine Tochter.

Was mich riesig freuen würde, wäre, wenn du mal über Hautpflege- / Körperpflege in der Schwangerschaft schreiben könntest- ich fand die in meiner letzten Schwangerschaft hierzu erhaltenen Informationen völlig unzureichend, die Beratung in Parfümerien und Apotheken auch ganz schlecht. Die mir von der Hebamme hochgelobten und empfohlenen Nk- Produkte hab ich zum Teil überhaupt nicht vertragen. Ich wusste aber auch nicht so richtig, was ich jetzt lieber meiden soll und was geht.
Ich freue mich aber auch über alles andere, worüber du schreibst und werde alles lesen.

Vielen Dank für deine Arbeit!!!

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